Hier der Artikel von Michael Thumser, wie er in seinem Feuilleton online erschienen ist. An dieser Stelle vielen Dank für das rege Interesse an den Kulturprojekten des TKV Hochfranken.

AUF DER MITTE DES WEGES

Zwei Musiker aus Polen, jeder mit sensationeller Spieltechnik, gemeinsam vollendet im Einklang: Als Gäste Dietmar Ungeranks sorgten Krzysztof Pełech und Robert Horna mit viel Musik des zwanzigsten Jahrhunderts für ein „Gitarrenhighlight“, das dem Namen alle Ehre machte.

Krzysztof Pełech und Robert Horna (links) in der Adventisten-Kapelle: Völlig unverkrampft, einander blind vertrauend. (Foto: Michael Thumser)


Von Michael Thumser

Hof, 27. Mai – Mögen E-Gitarren und -Bässe noch so zuckend und fiebernd unter Strom stehen – Gitarrenmusik, zumindest jene der mehr oder weniger klassischen Art, ist stets ein Akt der Intimität. Auch wenn zwei Gitarristen miteinander musizieren: Dann entstehen Dialoge von einer Vertraulichkeit, wie sie selbst in der Kammermusik Seltenheitswert besitzt, fragil und flüchtig – was freilich leidenschaftliche Mitteilungen nicht zwingend unterbindet.

     Dass es Krzysztof Pełech und Robert Horna krachen lassen, kann niemand behaupten; dazu beschränken sich die klanglichen Härtegrade ihrer Instrumente und deren dynamisches Spektrum zu konsequent auf eine wohltemperierte Klangsphäre der Kultiviertheit und gegenseitigen Zuwendung. Aber unter die Duckmäuser oder Leisetreter ihrer Kunst zogen sich die polnischen Gäste beim jüngsten Abend in Dietmar Ungeranks Hofer Konzertreihe mit „Gitarrenhighlights“ in keinem Augenblick zurück. Zudem besagt der Umstand, dass sie als „klassische“ Gitarristen firmieren, nicht, dass ihr Repertoire sich auf entlegene Epochen der Vergangenheit stützt. Den letzten fünfzig bis achtzig Jahren entstammten die Werke, mit denen das Duo am Donnerstag in der Adventisten-Kapelle ein Publikum anhaltend applaudierender Kenner und Liebhaber ergötzte.

Die Samba swingt

Die Namen der Komponisten, die am Anfang des – überwiegend iberoamerikanisch inspirierten – Programms stehen, mögen hauptsächlich Insidern geläufig sein. Den US-Amerikaner Ralph Towner, den mit Abstand prominentesten unter ihnen, nennen die beiden ihren „Lieblingskomponisten“; vom Brasilianer Celso Machado nehmen sie sich einen „Sambalanço“, also eine „swingende“ Samba, vor; und von seinem Landsmann Ulisses Rocha ein Stück, dessen Titel „Meio do Caminho“ beschreibt, wo sich die Interpreten mit ihrer nie erlahmenden Lebendigkeit stilistisch aufhalten: auf der „Mitte der Straße“, dem Mittelweg nämlich zwischen sprühenden Temperamenten und zügelnder Seriosität.

     Selten erlebt man Gitarristen so brillant und virtuos und doch so konzentriert, beherrscht und in sich ruhend. Lässig jeder für sich, im Verein untrennbar, schließen sie den oft heterogenen Ereignisreichtum der Stücke auf wie aus einem Guss, durchleuchten die stets attraktive, wenn nicht avancierte Harmonik, finden, völlig unverkrampft und einander blind vertrauend, durch komplizierte rhythmische, durch variierende metrische Gefüge. Zur unprätentiösen Coolness der beiden tragen gelegentlich Passagen bei, die sich rhapsodisch frei oder wie improvisiert einschieben (ohne es zu sein). Vertraulichkeit: Auf kleiner, aber lodernder Flamme mischen sie kongruent die Wärme-Energien der Stücke, deren Melodieparts oft vom einen Spieler zum andern übergehen und wieder zum ersten zurück.

Dem Gastgeber zu Ehren

Wer bei Dietmar Ungerank einkehrt, erweist ihm gern mit Beiträgen aus dessen Schaffen die Ehre. Dafür wählen Pełech und Horna zwei „Impromptus“, die der Doyen der Hofer Gitarrenpädagogik zu melancholisch gehauchten Monatsgedichten Salvatore Rinnones, des zarten Hofer Lyrikers, ersonnen hat; auf dem Programmblatt sind sie abgedruckt. Im „Oktober“ erinnern die Künstler mit reifer Schlichtheit und süßer Schwermut beiläufig an das vielleicht populärste Gitarrenstück der Welt, die anonyme „Spanische Romanze“ aus dem neunzehnten Jahrhundert; den „September“ hingegen setzen sie, deutlich energischer und mit solidem Humor, aus raffinierten Anfangs-Dissonanzen zu einem veritablen Südstaaten-Blues zusammen.

     Weil ihnen aufgeschaukeltes Gedöns ganz offenbar nicht liegt, zähmen sie sogar Freddie Mercurys im Original volkstümlich ausbrechende „Bohemian Rhapsodie“ zum veritablen Konzertstück, in seiner Durchsichtigkeit geeignet, abermals beider akkurate Könnerschaft, ihr subtiles Fingerspitzengefühl zu belegen. In Chick Coreas „Spain“ arbeiten sie nicht allein das berühmte „Aranjuez“-Thema aus Joaquin Rodrigos Gitarrenkonzert heraus, sondern setzen Anklänge an Albeniz, Jobim und andere kontrapunktisch dagegen. Feurig, aber düster, rasant in den begleitenden Figurationen, zugleich tiefsinnig in der Grundmelodie, perfektionieren sie Astor Piazzollas „Libertango“. Und Albeniz „Asturias“ (jetzt vollständig) gerät, rassig aufgeheizt, zum Abschluss-Panorama stupender Spieltechnik und alternierender Spielweisen in eiserner Synchronizität. Krachen zwar lassen es die beiden nie, aber mit so viel Impulsivität und Nachdruck gehen sie zu Werke, dass sich noch der geringfügigste Ton, wie kurz und knapp er immer sei, vernehmlich geltend macht. Schade wärs um jeden, der verloren ginge.

Nächstes Konzert der Reihe „Gitarrenhighlights“: 23. Juli, Hof, Adventisten-Kapelle, Lessingstraße 30, 17 Uhr: Nikolas Göhl (Deutschland).

– Michael Thumser für Hof, Hochfranken-Feuilleton, Mai 2023 (online)

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